Mission Kindergeburtstag

Was sind Topfschlagen und Würstchen mit Ketchup heute noch wert?

Es ist eine der größten Herausforderungen, mit denen sich Eltern jedes Jahr aufs Neue auseinandersetzen müssen. Es verlangt Müttern und Vätern Improvisationsgeschick und Einfallsreichtum ab. Darüber hinaus erfordert die Aufgabe, um die es in den folgenden Zeilen gehen soll, eine gehörige Portion MUT. Wie sonst ist die schier unlösbare Aufgabe, einen Kindergeburtstag, bei dem elf Kinder gleichzeitig zufrieden sein sollen, zu meistern???

Ok, man könnte sagen, ich bin selbst Schuld daran. Denn ich überließ meiner fünfjährigen Tochter folgende Entscheidung: Möchtest du deinen Kindergeburtstag an deinem eigentlichen Geburtstag im April mit fünf Kindern feiern oder bist du bereit ist zu warten, bis unser Innenhof im Sommer fertig ist und du dann alle einladen darfst, die du möchtest. Höchstwahrscheinlich geht Ihnen im diesen Moment durch den Kopf: Wie kann man nur so doof sein? Oder: Bist du betrunken gewesen? Betrunken nicht, doof vielleicht ein bisschen, aber auf jeden Fall sehr naiv. Selbstverständlich war unsere Tochter angesichts der Aussichten auf eine richtige Sommerparty sofort bereit, das Warten in Kauf zu nehmen. Mein Mann schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als er von der Planung seiner Hausherrinnen hörte. Nach kurzer Schockstarre bei dem Gedanken an rund 15 Kinder, folgte ein gemütliches und optimistisches „das kriegen wir schon hin“.  Ja genau!

Tag X rückte näher. Kein Problem – wir waren im Zeitplan. Die Einladungen, natürlich in Teamarbeit mit dem Geburtstagskind, waren wie gewünscht vor den Sommerferien fertig und wurden ordnungsgemäß an die kleinen Gäste im Alter zwischen vier und sechs Jahren verteilt. Fünfzehn an der Zahl. Die Angst, die angesichts einer solchen Masse an Kindern in mir hoch kroch, streckte ich mit dem kühnen Gedanken nieder, dass die Hälfte ohnehin im Urlaub sein wird. Wer konnte denn auch ahnen, dass wir trotz Sommerferien lediglich vier Absagen erhielten. Panik und blankes Entsetzten über die Tatsache, dass demnächst elf Kinder unser Zuhause stürmen würden, hatte mich voll im Griff. Schließlich war ich mit unseren beiden eigenen Terrorzwergen täglich gut bedient.

Eine gute Planung ist alles – versuchte ich mich zu beruhigen. Und so war es auch: Wir zogen als Regenbogen-Indianer durch unseren kleinen Ort, voll motiviert für unsere Foto-Schnitzeljagd, die mit einer Kugel Eis für alle belohnt wurde. Die Stimmung schien gut. Brav saßen die Indianer mit Feder im Haar und Eiswaffel in der Hand auf dem Bordstein und genossen ihr Eis. Doch die Ruhe war ein Trugschluss. Wenn ich ehrlich bin, konnte ich von Beginn an eine gewisse Feindseligkeit unter den maximal 1,20 Meter großen Schlaumeiern spüren.

Doch noch waren Papa Tom und ich guter Dinge. Denn das Geburtstagskind strahlte und das war die Hauptsache. Auch als die 90 Wasserbombe, die mein Mann am Vorabend mühevoll gefüllt hatte, in nicht mal 180 Sekunden platt gemacht wurden, verloren wir nicht den Humor. Doch ein Blick auf die Uhr machte klar, dass der ungünstigste Umstand überhaupt eingetroffen war: Wir waren zu schnell mit unserem Programm! Was nun??? Kurzerhand wurde einer meiner Kochtöpfe entweiht. Eine Runde Topfschlagen hielt die Meute für weitere fünfzehn Minuten bei Laune.

Danach gesellten sich die Mädchen um die kleine Spielküche beim Sandkasten und die Jungs bolzten was das Zeug hielt. Schon erstaunlich, dass auch in unserer modernen Gesellschaft die Geschlechterrollen klar besetzt zu sein scheinen. Und dann war er da, der gefürchtete Satz, der Dolchstoß für alle Ausrichter eines Kindergeburtstages: „Das ist alles langweilig!“ Es war nicht zu überhören! Doch es kam noch besser: Einer der Jungs watete plötzlich wie ein Hobbit durch unseren Hof, da sein linker Fuß wohl nur noch durch eine Amputation zu retten war. Ein anderer vertrieb sich die Zeit damit, zwei der Mädchen immer wieder den Ball gegen den Kopf zu werfen. Die Kombination Fensterscheiben und ausgiebiges Bolzen in kleinem Hof tat ihr übriges mit meinen Nerven. Zwischendrin quakte unsere jüngste Tochter, die überhaupt nicht zu verstehen schien, was diese wild geworden Horden mit ihren Spielsachen anstellte.

Eine Runde „Reise nach Jerusalem“ sollte die restlichen Minuten, bis zum Essen überbrücken. Spätestens dann würden die wilden Partygäste ruhig auf ihren Kinderhintern sitzen und in Ruhe essen. Weit gefehlt!! Lediglich die Mädels fanden sich am Geburtstagstisch ein. Nach kleineren Meckeleien ließen sie sich dann doch zu einer Wurst im Brötchen, Gurken, Paprika, und Melone herab. Dreistigkeit stand auch noch auf dem Programm, denn ein Gast sagte knallhart: „Das ist sowieso alles eklig.“ Doch ich hatte keine Zeit, mich darüber zu ärgern, denn ich wurde zum nächsten Notfall gerufen. Also trocknete ich Tränen bei einem Mädchen, die sich schon den ganzen Tag von den anderen Kindern ungerecht behandelt fühlte, und führte anschließend drei weitere Damen auf die Toilette. Zur selben Zeit im Hof: Mein Mann versuchte den Überblick zu behalten, und ermahnte in regelmäßigen Abständen und stets freundlichem Ton das ein oder andere Kind, damit wir nicht doch noch vor der Invasion kapitulieren mussten.

Uhrenvergleich – zwanzig Minuten bis zur rettenden Abhohlrunde der Eltern. Es war Zeit für die kleinen Give-Aways für die Gäste, denn das macht man heute so. Stolz verteilte das noch immer gutgelaunte Geburtstagskind die kleinen Tüten mit Kaubonbons, Stickern und zwei Holzstifte. Wobei ich angesichts der hohen Ansprüche einiger Anwesenden nicht davon ausgehe, dass die kleinen Gastgeschenke große Begeisterungsstürme auslösten. Dann war es soweit die ersten Eltern holten ihre mehr oder minder zufriedenen Kinder ab. Mein Mann und ich setzten unser breitesten Grinsen auf und versuchten krampfhaft entspannt zu wirken, denn wir würden uns unter keinen Umständen die Blöße geben, dass eine Geburtstagsparty mit elf halbstarken Kindergartenkids keine unsere besten Ideen gewesen ist.

Mein Fazit – ein bißchen ernüchternd: Auch wenn unser Programm gespickt war mit guten Ideen, Köpfchen und Liebe zum Detail, war es dennoch keine übertriebene Veranstaltung mit Clown und Luftballontiere. Doch wir mussten feststellen, dass die Ansprüche der Kinder enorm gestiegen sind. Wo wir in unseren Kindertagen noch eingeschüchtert von neuer Umgebung brav in einer Dreizimmerwohnung Topfschlagen spielten, erwartet die heutige Generation zumindest ein Fußballtor und zwei Tonnen Wasserbomben. Mit Klassikern wie Blinde Kuh lockt man heute kaum ein Kind hinterm Nintendo hervor. Noch erschreckender empfand ich allerdings die Unzufriedenheit mancher Gäste. Kleine Flumis und Bleistifte mit Starwars oder der Eiskönigin kamen bei weitem nicht bei jedem so an wie wir es erhofft hatten.

Ich muss ehrlich sagen: Ich hoffe sehr, dass sich unsere Tochter als Gast auf Kindergeburtstagsfeiern nicht so benimmt wie es manche bei ihrem getan haben. Aus Mama-Sicht kann ich nur sagen, dass sich unter Partygesellschaft der ein oder andere befand, der es heute schon gewöhnt ist, dass sich die Welt nur um ihn bzw. sie dreht. Vielleicht mag es hart klingen, aber was ist falsch daran, wenn die Kinder lernen, sich auch mal zu Gunsten anderer zurück zu nehmen?

Trotzdem: Wir werden an unserer Strategie festhalten: Geburtstage mit Schnitzeljagd und Topfschlagen sind immer noch viel schöner als Lasertag und Spaßbad. Aber nächstes Mal wird die Gästeliste reduziert. Und ich glaube weiterhin fest daran: Es gibt sie noch,  die Kinder, die sich über Gummibärchen unterm Topf, bunte Federn im Haar und Würstchen mit Ketchup freuen, denn ich bringe jeden Abend zwei dieser Sorte ins Bett.

Happy Birthday, Perle!

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