Ich dachte eigentlich immer, jetzt sind wir halbwegs erwachsen. Wie unser Leben verläuft, haben wir zumindest in groben Zügen festgelegt. Dazu gehört neben Job, Haus oder Wohnung und Familienplanung auch das soziale Umfeld. Insbesondere letzteres hat mir in jüngster Vergangenheit gezeigt, dass nichts für die Ewigkeit ist.
Für meinen Mann und mich sind gemeinsame Abende mit Freunden Lebensqualität. Wir genießen es, wenn unser Haus voll ist und die Freunde wieder mal den Heimweg nicht finden. Meistens waren es zwei bis vier befreundete Pärchen, mit denen uns schon zahlreiche gute und weniger gute Erinnerungen aus grauer Vorzeit verbinden, die unseren Einladungen nur allzu gerne Folgen leisteten oder spontanen „Sit Ins“ immer gerne beiwohnten. Wir schätzten uns alle glücklich, denn es verstanden sich alle untereinander. Es ist kein Freundeskreis, den einer in die Beziehung mit einbringt wie ein Kind aus erster Ehe, sondern gewachsene Verbindungen, die das Leben bereichern. Selbst unsere Kinder sind im gleichen Alter, was die gemeinsamen Treffen immer, zumindest ab einem bestimmten Alter, sehr entspannt gestaltete.
Doch seit geraumer Zeit bröckelt etwas an unserer so stabil wirkenden freundschaftlichen Fassade. Ein Pärchen begann sich zurück zu ziehen. Erst leise, kaum merkbar, denn jeder hat ja schließlich auch mal was anderes vor. Doch irgendwann wurde es auffälliger und öfter. Anscheinend hatten sie neue Freunde gefunden, glaubte ich festgestellt zu haben, denn selbst gesellige Gelegenheiten, die sie früher unter keinen Umständen ausgelassen hatten, haben sie immer öfter versäumt. Ich würde lügen, wenn ich nun behaupten würde, dass mich dies nicht gekränkt hätte, im Gegenteil, ich war regelrecht eingeschnappt. Irgendwann kam dann die Meldung. „Wir haben uns getrennt.“ Schock – und wieder war ich beleidigt: Warum hatte meine Freundin im Vorfeld nichts gesagt, wieso hat sie sich nicht bei mir – wie es früher der Fall war – ausgekotzt, wenn der Reifeprozess hinsichtlich Verantwortung und Selbstversorgung in ihrem Mann einfach nicht so recht vorankommen wollte. Nun hatte sie sich entschieden, nicht mehr Teil dieser Beziehung sein zu wollen. Eine mutige Entscheidung, die ich voll respektiere. Etwas anderes steht mir auch nicht zu. Doch heißt das gleichzeitig, dass sie auch nicht mehr Teil unseres „Teams“ sein möchte?
Rückblickend muss ich sagen, war es eigentlich keine große Überraschung. Schon lange waren Zärtlichkeiten, wie sie mein Mann und ich im Vorübergehen sei es in Form eines liebevollen Lächelns oder eines flüchtigen Kusses, austauschen, bei besagtem Pärchen rar gewesen. Aber man hatte sich keine Gedanken gemacht, denn eigentlich kannte man die beiden nicht anders. Nun hatte sie, den wohl einzig logischen und auf lange Sicht, sinnvollen Schritt gewagt und sich getrennt. In Kürze bezieht sie mit der gemeinsamen Tochter eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung. Sie wird aufblühen und zu sich selbst zurückfinden, davon bin ich überzeugt. Doch was ist mit unserem Clan? Wir waren immer so stolz auf unsere Truppe. Ein Haufen liebevoller Eltern, die sich zum Teil aus Jugendtagen kennen, durch dick und dünn gegangen sind, Trauzeugen, Taufpaten, Kummerkasten und Partypartner waren und sind. Wir haben gemeinsam geweint als ihr Vater gestorben ist, wir haben mit uns gebangt, als unsere erste Tochter viel zu früh auf die Welt kam. Genau diese Menschen haben unsere Hochzeit unvergesslich gemacht.
Machen wir uns nichts vor: Es wird nie wieder sein wie vorher. Die beiden werden mit Sicherheit nicht gleichzeitig auf demselben Fest tanzen, auch wenn die Trennung bisher einvernehmlich und zum Wohle des Kindes ruhig und erwachsen abläuft. Was bleibt ist die Frage: Wo sind sie hin die Tage, in denen wir unsere ersten Kinder gemeinsam auf der Decke spielen ließen, den ein oder anderen ungesunden Keks verteilten, um noch ein Viertelstündchen länger in Ruhe tratschen zu können. Mädelsabende, deren Organisation aus Termingründen ohnehin immer schwierig gewesen war, gemeinsame Grillfeste, die von unseren Töchtern mit wilden Gesangs- und Theatershows bereichert wurden. Das wird es so in dieser Konstellation nicht mehr geben.
Und das Leben geht weiter, denn das muss es. Dinge, die enden, bringen meist auch neue Chancen mit sich und zeigen neue Wege auf. Dies beweist schon allein die Tatsache, dass meine zahlreichen Bemühungen ein anderes Pärchen, um die ich stets bemüht war, sie mit ins Boot der befreundeten, lebenslustigen Eltern zu holen, umsonst waren. Denn diese Pärchen wiederum hat sich endgültig anders orientiert. Er hat die Karriereleiter erklommen und scheint in anderen Sphären unterwegs zu sein, was sie wiederum verständlicherweise genießt. Hier musste ich früh einsehen, dass unsere Freunde keine Puzzleteile sind, die problemlos zueinander passen. Das wäre wahrscheinlich zu einfach. Vielleicht ist es egoistisch so zu denken, aber ich wünsche mir doch einfach nur regelmäßige lange Tafeln, voll besetzt mit unseren engsten Freunden, essend, trinkend, lachend, redend, diskutierend. Die Kinder springen aufgeregt und glücklich durch den Hof. Ist das zu viel verlangt? Wahrscheinlich.
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass man nie fertig ist, sein Leben zu gestalten. Getreu dem Motto: „Alles hat seine Zeit“. Es ändert sich immer etwas, auch wenn man das nicht möchte. Doch man entwickelt sich weiter, Interessen ändern sich, Lebensmodelle scheitern, Kinder werden groß, Schicksalsschläge schweißen zusammen oder scheiden ehemals sich liebende Menschen. Deswegen sollten wir den Moment, in denen es nicht besser sein könnte, und von diesen hatten wir zahlreichen und werden weitere unzählige haben, in vollen Zügen genießen. In der Hoffnung, das besagte Ex-Pärchen in irgendeiner Art und Weise weiterhin unter uns haben zu können, um zu lachen, zu essen und zu trinken. Um gemeinsam, das schlechte Gewissen zu teilen, wenn man mal zu streng mit dem Nachwuchs war, und um sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, wenn der Job mal wieder Lorbeeren bereithielt. Damit ein „in zehn Minuten gehen wir“ wieder mal bis Mitternacht dauert!
Ich wünsche euch beiden von Herzen alles Gute, zusammen oder getrennt, bei uns seid ihr immer willkommen!